85. Etappe, Finsterhennen: 12 unglaubliche Reglemente wie das Schrei-Verbot für Kinder

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Der schnellste Weg von Brüttelen nach Finsterhennen? Einem Strässchen dem Bahngleis entlang. Natürlich nicht geteert. Aber meine vier Mitfahrer – zwei mit Fixies, zwei mit Eingängern – Dimi, Jo, Luki und Jean und ich kommen schadlos in Finsterhennen an. Der Ort bietet gleich zwei Kuriositäten. Erstens: der Name. Finsterhennen bedeutet nicht, dass hier dunkle oder gar böse Hühner gehalten werden. Denn «finster» ist das falsch ins Hochdeutsche übersetzte «feist». Wenn schon, sind die Hennen hier also dick, nicht böse.


Einigermassen Bekanntheit erlangte der 500-Seelen-Ort aber nicht wegen der Hühner. Sondern wegen der Maikäfer. 2001 war es, als selbst ausländische Medien auf den kleinen Ort aufmerksam wurden. Damals empfahl Gemeindeverwalter Bruno Heiniger in einem formalrechtlichen Verwaltungsakt zwölf uralte Vorschriften aufzuheben, welche er im Archiv fand. Der Gemeinderat stimmte dem zu. Das kurioseste Reglement dabei: «Das Einsammeln und Töten von Maikäfern ist auf dem ganzen Gemeindegebiet obligatorisch.» Nicht erlaubt war danach jedoch folgende Entsorgung: «Die Maikäfer dürfen nicht in Gewässer oder Jauchegruben gekippt werden.» Und das war wirklich bis 2001 gültig? «Formell schon», bestätigt Heiniger. Allerdings habe sich natürlich niemand mehr daran gehalten. Auch andere Gemeinden in der Region hatten diese Regelung. «Wir waren einfach die einzigen, die sie dann so spät offiziell aufhoben», erklärt der Gemeindeschreiber. Und früher, da galt dies selbstverständlich: «Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die Maikäfer alles ratzekahl gefressen. Meine Mutter (Jahrgang 1926) musste die Viecher jeweils noch von den Bäumen schütteln und dann einsammeln. Sonst wäre die Ernte futsch gewesen», erinnert sich Heiniger.


Das Reglement stammte vom April 1897 und war nur eines von zwölf, das durch ihn 2001 aufgehoben wurde. Unter den anderen – handschriftlich in alter Schrift (Kurrentschrift) verfassten – Reglementen finden sich weitere Trouvaillen. Die meisten kann leider kaum mehr jemand lesen. Auch ich scheitere natürlich als mir Heiniger die Dokumente zeigt. Spannend sind insbesondere das Feldmauser-Reglement (1913 vom Kanton bewilligt) und das Polizeireglement von 1895. Darin wurde unter anderem festgehalten: «Das Herumschreien und Lärmen der Kinder in den Strassen an Sonn- und Feiertagen ist untersagt.» Hach, manchmal wünschte ich mir die ganz alte Zeit zurück.


Geregelt wurde aber auch das Parkieren von Fuhrwagen und das Verhalten beim Backen oder Waschen. Und die Hühner, die durften nur zu einer gewissen – vom Gemeinderat festgelegten – Zeit auf die Weide gelassen werden.


Eine weitere Vorschrift hätten wir auf unserer Durchfahrt wohl sicher gebrochen: «Es darf in Strassen, welche die Ortschaft durchqueren, nicht schneller geritten oder gefahren werden als in kurzem Trab.» Zum Glück hob Finsterhennen die Regelung auf. Denn sonst hätten wir «mit Busse von einem bis zwanzig Franken oder mit Gefängnisstrafen bis zu fünf Tagen bestraft» werden können.